KRAFTORTE
Australien

Kultstätten und Kraftorte in AUSTRALIEN

 

AYERS ROCK
Heiligtum der Dreamtime

Im Jahre 1875 entdeckte William Goose, der als stellvertretender Landvermessungs-General das australische Northern Territory erforschte, südlich von Alice Springs eine Reihe haubenförmiger Steinhügel. Den eindrucksvollsten, einen riesigen und imposanten Monolithen aus rotem Sandstein, nannte er Ayers Rock - zu Ehren des australischen Premierministers Sir Henry Ayers. Gosse wußte damals nicht, daß der Sandstein-Inselberg, der bei Sonnenauf- und untergang faszinierende Farben annimmt, von den Aborigines bereits seit langem einen anderen Namen hatten: ULURU

Der riesige Monolith überragt die ihn umgebende Wüstenlandschaft um 335 Meter und bildet mit einem Umfang von 9 Kilometern einen Scheidepunkt der Dreamtime-Pfade der Aborigines.
Gosse war am heiligen Wasserpython gelandet, am Platz der Kandjus, der guten Echse, am Platz des Hasen-Wallaby-Volkes und der Teppich-Schlangen-Leute.
Jeder Riß und jede Spalte, jede Vertiefung, Zerklüftung, jede Erhebung und jede Verwerfung hat für die Aborigines ihre eigene Bedeutung. Die Wasserspuren an einer Stelle waren das Blut der verhaßten und bösen Schlangen-Leute, die in einer berühmten Dreamtime-Schlacht besiegt wurden. Die Löcher des Felsblockes waren die Augen eines toten Feindes, die Erhebung an einem anderen Felsen war die Nase eines schlafenden Ahnen. Und für jede einzelne Höhle des Berges hatten (haben) die Aborigines in ihren Ritualen eine eigene Bedeutung.

Dreamtime war die Zeit, als die Erde noch in ihrer Entwicklung begriffen und dementsprechend formbar war. Zu jener Zeit gab es animalisch-menschliche Heldengestalten, die für ihre Nachfahren Wege durch die Öde der australischen Wüste anlegten. Sie formten Wasserlöcher und Brunnen, und das Überleben der heutigen Aborigines hängt nicht unwesentlich davon ab, ob sie wissen, wo entlang der Dreaming-Pfade diese Wasserstellen liegen. In Form von Liedern und rituellen Zeremonien wird dies Wissen von Generation zu Generation weitergereicht. Aber Dreamtime ist noch komplexer: ihre Rätsel und ihre Magie sind in den Gedanken und Gefühlen der Aborigines enthalten. Außenstehenden offenbaren sich immer nur winzige Teilchen der verschlungenen Fabeln und Legenden.

Uluru ist ein entlegener Markstein auf diesen Dreaming-Pfaden, die den gesamten Kontinent durchziehen. In der Dreamtime war der Berg Sitz der Pitjantjatjara, des Hasen-Wallaby-Volkes, das auf seiner Nordseite lebt, und der Yankuntjatajara, des Teppich-Schlangen-Volkes, das sich südlich davon angesiedelt hatte. In unmittelbarer Nähe des Uluru wurden zwei Schlachten ausgetragen, die in den Liedern und Riten der Aborigines noch lebendig sind.
Aus dem Dreamtime-Süden kam der wilde und gefährliche Stamm der bösartigen Schlangen-Leute, deren Ziel es war, das Teppich-Schlangen-Volk niederzumetzeln. Aber Bulari, die heldenhafte Erd-Mutter der Teppich-Schlangen, sandte den Angreifern tödliche Wolke entgegen, die ihnen Krankheit und Tod brachte, und rettete so ihr Volk. Einige Körper der bösartigen Schlangen-Leute sind im Uluru eingeschlossen. Die Überlebenden des Stammes zogen weiter nach Süden, um andere gute Schlangen-Völker anzugreifen, erlitten jedoch fast überall dasselbe Los.

Auch das Hasen-Wallaby-Volk der Nordseite mußte mit einem aggressiven Feind fertigwerden, mit dem schreckenerregenden Teufels-Dingo. Ein feindlich gesinnter Stamm hatte diese Bestie durch Gesang zum Leben erweckt und mit wilder Bösartigkeit geimpft, bevor man sie auf die guten Hasen-Wallaby-Leute losließ. Die Hasen-Wallabies konnten nur durch ihre phantastische Sprungfähigkeit entkommen - die Fußabdrücke ihres Rückzuges sieht man in einer Reihe von Höhlen rund um den Uluru. Endgültig in Sicherheit waren sie jedoch erst, nachdem es gelungen war, der riesigen wütenden Bestie das Totem aus dem Maul zu reißen, daß ihr ihre überirdischen Kräfte verliehen hatte.

Petroglyphen (Felszeichnungen) sind in den Höhlen und Grotten von Ayers Rock außerordentlich zahlreich. Einige besonders heilige Höhlenmalereien werden nichtmenschlichen Wesen zugeschrieben. Viele Gravuren haben Fruchtbarkeits- oder Inititations-Charakter, während andere in die mythologische Dramtime-Ära zurückreichen.

Erfurcht vor der Natur gehört zur Kultur der Aborigines, und ihre Kunst befaßt sich mit Tieren und Pflanzen. Wer kann sich eine bessere “Leinwand” vorstellen, als den lebenden Fels? Die Aborigines von Ayers Rock haben heilige Höhlenmalereien geschaffen. Ein Stamm weiter nördlich, nicht weit vom Meer bei Darwin, hat Teile von Nourlangie Rock mit dekorativen Bildern von Fischen geschmückt, die man im East Alligator River findet: ein Barramundi, ein Saratoga und ein Schwarm kleiner Fische.

 



Quellen:
Sagen, Mythen, Menschheitsrätsel von Jennifer Westwood